…. scheint zuzustimmen heißt es in einem bekannten Spruch. Aber gilt dies auch für den rechtlichen Bereich?
Und da im rechtlichen Bereich selten etwas „so einfach“ ist, wie es auf den ersten Blick aussehen könnte, ahnen Sie vermutlich schon, daß ein einfaches „ja“ oder „nein“ hier nicht ausreicht. Es hängt nämlich davon ab, wer in welcher Situation schweigt.
Der Grundsatz
Aber fangen wir mit dem Grundsatz an. Vielleicht erinnern Sie sich noch, daß ein Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustandekommt – wir nennen diese Willenserklärungen Angebot und Annahme.
Spielen wir zum besseren Verständnis eine konkrete Verkaufssituation durch. Ich gehe immer wieder gerne an einem bestimmten Marktstand einkaufen. Witzigerweise sind sowohl der Verkäufer am Stand als auch ich so stark erkältet, daß wir keinen Ton herausbekommen. Hustend lachen wir einen Moment um die Wette….. Ich deute dann auf die Tomaten und signalisere mit den Fingern, daß ich 5 Tomaten haben möchte. Der Verkäufer nickt, wiegt die Tomaten, packt sie ein und schaut mich fragend ein. Ich signalisiere mit den Händen „das war alles“ und er zeigt mir den zu zahlenden Betrag auf seinem Taschenrechner. Ich zahle, nehme die Tomaten und gehe. Zugegeben: so wird es selten ablaufen, aber denkbar ist dies durchaus. Wichtig ist dabei: wir haben kein Wort miteinander gesprochen, trotzdem haben wir wirksam einen Kaufvertrag geschlossen. Dies ist allerdings kein Fall des Schweigens, denn wir haben durch entsprechende Handlungen unseren Willen jeweils klar ausgedrückt.
Ein anderer Tag, ein anderer Stand auf dem Markt: auf der Suche nach einer Kochinspiration schlendere ich am frühen Abend an den Marktständen entlang. An einem Stand (1 kg Tomaten zum Preis von € 2,99) zögere ich etwas – der Verkäufer ruft mir zu „zwei Kilo zum Preis von 4 Euro“ – ich schüttele den Kopf und gehe weiter.
Hier ist kein Kaufvertrag zwischen mir und dem Verkäufer zustandegekommen. Er hat mir zwar ein Angebot unterbreitet, durch mein Kopfschütteln habe ich das Angebot aber abgelehnt.
Wie sieht es aber aus, wenn der Verkäufer mir zuruft „zwei Kilo Tomaten zum Preis von 4 Euro“ und ich weder etwas sage noch den Kopf schüttele. Der Verkäufer hat ein Angebot gemacht. Was mache ich? Nichts! Ich sage nichts und ich mache auch nichts. Habe ich damit damit das Angebot angenommen? Nein. Denn: grundsätzlich hat bloßes Schweigen keine rechtliche Wirkung und kann eine Willenserklärung nicht ersetzen.
Die Ausnahmen
Wo es einen Grundsatz gibt, da gibt es natürlich auch Ausnahmen. Dabei werde ich hier – natürlich – nicht alle denkbaren Ausnahmen auflisten, sondern nur auf ein paar besonders häufige Sonderfälle hinweisen.
Beispiel: automatische Vertragsverlängerung
Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Büro mieten. Sie schließen einen Mietvertrag mit dem Vermieter. Die Frage, wann der Mietvertag endet, hängt von den vertraglichen Bedingungen ab. Hier gibt es drei Grundmodelle:
(1) Mietvertrag von unbestimmter Dauer: wenn Sie oder der Vermieter mit einer bestimmten Frist kündigen (= Willenserklärung), dann endet der Mietvertrag.
(2) Mietvertrag von bestimmter Dauer: der Vertrag läuft nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.
(3) Mietvertrag mit Befristung, der sich automatisch verlängert: der Mietvertrag läuft bis zu einem bestimmten Zeitpunkt/für eine bestimmte Dauer und verlängert sich automatisch, wenn er nicht gekündigt wird.
Auf dieselbe Art und Weise verlängert sich auch die kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft bei Xing (siehe Klausel 6.2 der AGB). Schweigen (im Sinne von „nichts tun“) bedeutet hier, daß Sie den Vertrag weiterführen, weil Sie dies vertraglich so vereinbart haben.
Beispiel: kaufmännisches Bestätigungsschreiben
Der Agenturgründer A steht schon länger mit dem mittelständischen Unternehmen U im Gespräch über die Gestaltung einer neuen und aufwändigen Webseite. Er hat vor längerer Zeit ein Angebot abgegeben, über dieses Angebot haben A und der Geschäftsführer von U in den letzten Wochen intensiv verhandelt. Dabei haben sich deutliche Änderungen im gewünschen Umfang und damit auch im Zeitplan ergeben. Wenn nun einer von beiden dieses Ergebnis in einem Schreiben zusammenfaßt, dann kann dieses Schreiben zwischen den beiden Beteiligten eine rechtliche Wirkung entfalten. Enthält A also von U ein Schreiben in dem Punkte enthalten sind, die aus Sicht von A nicht stimmen, so muß er schnellstmöglich widersprechen. Anderenfalls kann U davon ausgehen, daß U alles richtig zusammengefaßt hat und U und A sich – wie im Schreiben zusammengefaßt – geeinigt haben.
Beispiel: Schweigen auf Anfragen/Angebote im Rahmen von bestehenden Geschäftsverbindungen
Der Agenturgründer A und das Unternehmen U arbeiten nunmehr seit einem Jahr zusammen. Immer wieder beauftragt das Unternehmen U den Agenturgründer A mit der Durchführung größerer und kleinerer Arbeiten. Jede Anfrage von U hat A bisher audrücklich mit einer Annahme per Email beantwortet. Zwei Tage vor einem Kurzurlaub geht bei A eine dringende Anfrage von U ein, die A zeitlich vor seinem Kurzurlaub nicht schaffen kann. Hier muß A ganz ausdrücklich das Angebot von U ablehnen und zwar schnellstmöglich! Es reicht nicht aus, daß er schweigt. Sein Schweigen gilt sonst (auch wenn er immer ausdrücklich „annimmt“) gemäß § 362 HGB als Annahme.
Schweigen kann daher gerade im unternehmerischen Bereich durchaus eine rechtliche Wirkung haben. Um Mißverständnisse oder Nachteile zu vermeiden, hilft es oft schon, zeitnah auf offensichtliche oder vermeintliche Unstimmigkeiten zu reagieren.